Neues Investment:
volytica diagnostics GmbH nimmt Fahrzeugbatterien unter die Lupe
TGFS
06. August 2020
Die fortschreitende Digitalisierung fordert die altbekannte Maslowsche Bedürfnispyramide heraus: Wurden der grundlegenden Pyramidenschicht bisher vor allem körperliche Bedürfnisse wie Essen oder Schlafen zugeordnet, dürfte mit der wachsenden Bedeutung von elektronischen Geräten in unserem Alltag auch die Stromversorgung fast schon zu einem Grundbedürfnis zählen. Jedenfalls scheint eine rot aufleuchtende Akku-Ladestandsanzeige auf dem Smartphone-Display bei vielen Mitmenschen ein größeres Unbehagen als ein Hungergefühl auszulösen. Die zunehmende Verbreitung von Elektro-Fahrzeugen hebt die Abhängigkeit von einer Stromquelle abermals auf ein neues Level – schließlich entscheidet der Ladezustand einer Batterie darüber, ob wir von A nach B (und damit im Zweifel zur nächsten Nahrungsquelle) gelangen. Eine zuverlässige Reichweitenprognose bei Fahrzeugbatterien wird jedoch dadurch erschwert, dass die Leistungsfähigkeit einer jeden Batterie mit dem Alter abnimmt. Genau hier setzt das junge Dresdner Unternehmen volytica diagnostics GmbH (kurz: volytica) an, das von Claudius Jehle und Sebastian Stoll geführt wird. Das Spinoff des Fraunhofer-Instituts für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI wartet mit einer eigenentwickelten Technologie auf, mit der sich der Zustand einer Batterie in Echtzeit bestimmen lässt. Das Firmenkonto wurde nun vom Technologiegründerfonds Sachsen (TGFS) neu aufgeladen, der zusammen mit dem Fraunhofer Technologietransferfonds (FTTF) frisches Kapital einbrachte.
Das breite Geschäftsfeld von volytica erstreckt sich über verschiedenste Anwendungsfälle für Li-Ionen-Batterien. Unter anderem zielt man auf den Markt elektrifizierter Nutzfahrzeuge wie Busse, LKWs und Züge. Dabei hat das junge HighTech-Unternehmen speziell die Batteriesystem- und Fahrzeughersteller im Visier, die sich in einem Spannungsverhältnis befinden: Einerseits gewähren die Produzenten der eigentlichen Batteriezellen oft nur kurze Garantiezeiten, andererseits erwarten Käufer von E‑Fahrzeugen wie Mobilitätsanbieter eine längerfristige Leistungszusage. Mit volytica lässt sich der Verschleiß einer Batterie bequem per Cloud-basierter Software nachverfolgen, was eine sogenannte „vorausschauende Wartung“ ermöglicht. Dazu werden diverse Leistungsparameter ausgewertet und dem Kunden grafisch aufbereitet und über Schnittstellen zur Verfügung gestellt. Die Technologie ist seit mehreren Jahren erfolgreich bei namhaften europäischen Kunden im Einsatz, daher war die Gründung aus dem Fraunhofer-Institut heraus ein logischer Schritt. Über die jüngste Kapitalzufuhr soll nun die Markterschließung an Fahrt aufnehmen. Wofür die neuen Finanzmittel konkret eingeplant sind, erklärt Co-Gründer Claudius Jehle: „Wir möchten die Technologie weiter professionalisieren und diversifizieren, um das Kommerzialisierungspotenzial voll ausschöpfen zu können. Im Sinne der Skalierbarkeit wollen wir noch mehr Kunden möglichst effizient bedienen. Unser Fokus ist: Minimale Eintrittshürde für den Kunden, wir stiften sofort Nutzen!“ Den TGFS hat er im Finanzierungsprozess laut eigener Aussage als „pragmatischen Partner“ erlebt. Die Zusammenarbeit beschreibt Claudius Jehle als „unkompliziert, reibungslos, schnell und immer unterstützend.“
Beim TGFS ist man vor allem auch von der Go-to-Market-Strategie von volytica überzeugt. So schreibt Tobias Voigt, Leiter der Startup-Beteiligungen beim TGFS, dem Unternehmen nicht weniger als eine Vorreiterrolle zu: „volytica verfügt über eine innovative, zur Serienreife entwickelte Technologie auf dem spannenden Markt der E‑Mobilität. Die spezifische Ausrichtung auf die Optimierung der Fahrzeugbatterie als dem zentralen Bauteil der Branche birgt zudem die große Chance, sich wichtige Wettbewerbsvorteile zu verschaffen, um volytica als First Mover im Non-PKW-Bereich nachhaltig zu etablieren.“ Bis dato gestaltete sich eine Performance-Prognose bei Fahrzeugbatterien schwierig, da sich weder die externen Einflüsse, denen die Batterie in der Anwendung ausgesetzt ist, noch deren Auswirkungen auf ihren Alterungsprozess genau abschätzen lassen. Um den hohen Kundenerwartungen an die Verfügbarkeit zu genügen, werden Batterien von den Herstellern daher vorbeugend überdimensioniert. Mit volytica können Abnutzungserscheinungen nun präziser rekonstruiert und antizipiert werden. Das erlaubt den Herstellern wiederum, kleinere Batterien zu verbauen und somit hohe Kosten zu sparen – bislang macht die Batterie immerhin bis zu 45 % der Gesamtkosten eines E‑Fahrzeugs aus. Wirtschaftliche Vorteile versprechen die von volytica bereitgestellten Daten auch beim Geschäft mit Mietbatterien sowie im Schadensfall, wenn sie Verletzungen von Garantiebedingungen aufdecken.
Mit seinen Erkenntnissen zur Empfindlichkeit von Batteriezellen schließt volytica eine Wissenslücke in der E‑Mobilitätsbranche. Zwar werden Fahrzeugbatterien schon länger intensiv im Labor erforscht, es fehlen aber Erfahrungswerte zum Einsatz unter Realbedingungen – schließlich ist die erste Generation von E‑Fahrzeugen erst seit wenigen Jahren auf den Straßen unterwegs. Das Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI entwickelte die ersten elektrisch angetriebenen Busse mit Industriepartnern bereits vor über 15 Jahren und besitzt damit vergleichsweise umfassende Felderfahrung. Diese bringt auch Claudius Jehle mit, der am Institut die Forschungsgruppe für Batteriediagnose für 6 Jahre leitete und bestens in der Branche vernetzt ist. Sein Kollege Sebastian Stoll steuert über 10 Jahre Industrieerfahrung in der Cloud-Software-Entwicklung bei, die er bei renommierten internationalen Unternehmen sammeln konnte. Über volytica sagt er: „Es war eine bewusste Entscheidung, das Unternehmen in Dresden zu gründen. Wir glauben an den Standort, an dem viel Know-How aufgebaut wurde. Dresden ist ein Batterieforschungs-Hotspot. Dank der hervorragenden Hochschullandschaft finden wir hier hoch qualifizierte und fähige junge Menschen. Unser Ziel ist es, den Nachwuchs-Ingenieuren eine berufliche Perspektive in ihrer Heimat bieten zu können.“ Diesen Anspruch teilt der TGFS bedingungslos – ein weiterer ausschlaggebender Grund in das junge Unternehmen zu investieren und damit die Kapitalbasis für die neuen Stellen zu schaffen.
Deal-Team TGFS
Christian Mordowicz und Tobias Voigt
Der Artikel wurde von der MBG Sachsen – Managementpartner im TGFS – verfasst.
Bildquelle: volytica diagnostics GmbH